Meine Wortwahl-Aufmerksamkeits-Reise

 

Vergangenen November habe ich die Lovember-Challenge von Anja Schuetz mitgemacht. Anja hat uns jeden Tag im November einen Denkanstoß per Mail zukommen lassen. Am 11. November hieß die Aufforderung: „Entferne das Wort hassen aus deinem Vokabular“.

Als ich darüber nachdachte, war ich ganz schnell bei der Frage: Wie drücke ich mich eigentlich im täglichen Leben aus? Welche Wörter benutze ich und welche NICHT?“.

Ich merkte, dass ich Wörter wie Hass oder hassen gar nicht mehr benutze. Ausnahme: wenn ich etwas lese, vorlese, zitiere oder auf etwas Bezug nehme (wie jetzt), was jemand anderes geschrieben oder gesagt hat. Jedenfalls stellte ich fest, das Wörter, die irgendwie mit Hass, Feindseligkeit, Antipathie zu tun haben, so ziemlich aus meinem aktiven Wortschatz verschwunden sind.

 

Und so kam es dazu …

 

Wie meine „Wortwahl-Aufmerksamkeits-Reise“ anfing.

 

Vor vielen, vielen (vielen!) Jahren kam ein Bekannter regelmäßig samstags Mittag zu uns. Er war schon lange von seiner Frau getrennt, lebte allein in einer kleinen, von Schimmel befallenden Wohnung und hatte eine Freundin, die er auf Abstand hielt.

Nun saß er also samstags immer an unserem Tisch, trank Kaffee und schimpfte über die Welt, die Frauen, seine Arbeit, das Leben …

Es dauerte nicht lang, da begann ich mich bei diesen Treffen sehr unwohl zu fühlen.

Ich nahm wahr, dass er kein gutes Haar an „den Frauen“ lies. Seine Bemerkung „Anwesende natürlich ausgenommen“, die er zwischendurch immer mal wieder einfließen ließ, änderte daran gar nichts.

 

Zu der Zeit fielen mir Bücher von einer Autorin in die Hände, die sich mit Gewalt in der Sprache auseinandersetzten. Was für ein Zufall 😉 . Es war ein eher feministischer Ansatz, und die Autorin beleuchtete die unterschiedliche Sprache von Männern und Frauen und wie Sprache gewalttätig und missbrauchend werden kann.

Diese Frau sprach mir aus der Seele, dennoch war ich damals überhaupt nicht in der Lage, dem Gemecker und Geschimpfe dieses Menschen, seinen verbalen Attacken, Einhalt zu gebieten oder mich aus dieser Samstags-Situation zu entfernen. Ich hatte das Gefühl, dass ich Schläge bekam stellvertretend für alle Frauen, von denen er sich jemals verletzt gefühlt hatte … und das jedes Wochenende wieder und wieder!

Diese Gefühle in mir wahrzunehmen war sozusagen der Startschuss, meine eigene Sprache und meine Reaktion auf die Worte anderer genauer anzusehen.

 

Fast forward ins Heute.

 

Inzwischen ist mir der aufmerksame Umgang mit Sprache in Fleisch und Blut übergegangen. Ich bin sehr aufmerksam mit dem, was ich sage. Ich drücke mich wertschätzend aus und spreche aus einer liebevollen inneren Haltung.

Dabei halte ich keineswegs mit meiner Meinung hinterm Berg. Es kann auch gut sein, dass ich mal jemandem auf den Schlips trete (seltsam, dass das ein so „männliches“ Sprachbild ist … darüber muss ich mal nachdenken … gibt´s dazu eigentlich ein weibliches Pendant?).

Allerdings kann ich in so einem Fall voll dahinter stehen, weil ich meine Worte aus einer wertschätzenden Position äußere und NICHT die – bewusste oder unbewusste – Intention dahinter steht, jemanden zu ärgern oder zu verletzen. Ich kann mich entschuldigen, wenn in der Kommunikation mal etwas schief gelaufen ist. Das kann passieren, weil ich in bestimmten Settings gern mal überspitze oder provoziere, um etwas deutlich zu machen oder jemanden aus der Reserve zu locken.

 

Was macht nun der aufmerksame Umgang mit Sprache mit mir?

 

1.

Zuerst einmal hält diese Angewohnheit meine Energie hoch. Ich bin Energie, Licht und Liebe, wie du auch. Also ist es für mich naheliegend, wertschätzend, authentisch und positiv in die Welt hinaus zu sprechen und zu wirken. Aus dem einfachen Grund, dass ich mich gut fühle, wenn ich so bin!

Auch spüre ich sehr schnell, ob eine Situation, ein Mensch, eine Unterhaltung eine hohe oder eher eine niedrige Energie hat. Das führt dazu, dass ich ziemlich gut entscheiden kann, ob ich irgendwo sein oder teilhaben möchte oder nicht. Wenn es möglich ist, verlasse ich Situationen oder Gespräche, die sich für mich nicht richtig anfühlen.

Mehr und mehr stehe ich meine Frau und sage meine Meinung, wenn ich in Gesprächen abwertende Wörter und Tendenzen, Anschuldigungen oder Beschimpfungen wahrnehme.

 

Und noch etwas!

2.

Ich nehme sehr deutlich wahr, wie Menschen über sich selbst und ihre Welt reden, welche Begriffe, Redewendungen und Wörter sie benutzen.

Besonders als Coach ist das sehr spannend, weil es eine Möglichkeit bietet, einzuhaken und zur Reflektion anzuregen. Kennst du das, wenn jemand etwas sagt und auf Nachfrage antwortet: „Das hab ich doch nur so gesagt!“?

Sprache ist toll! Sie „verrät“ uns. Was ich sage, lässt im weitesten Sinne Rückschlüsse auf mein Innenleben, meinen Gefühlszustand zu und macht den Weg für Entwicklung und Veränderung frei.

 

3.

Was ich in der letzten Zeit ganz stark wahrnehme ist, dass Sprache als Mittel benutzt wird, Grenzen hoch zuziehen. Ein Möglichkeit, sich vermeintlich zu schützen. Ein Versuch, seine Angst zu verbergen.

Es ist klar, dass Angst ein wichtiges Gefühl ist! Sie schützt uns in kritischen, gefährlichen Situationen und kann lebensrettend sein, hat also eine ganz basale Funktion im Leben. Denk nur an den Fluchtreflex von Tieren! (Haha, ich sehe gerade vor meinem inneren Auge, wie mein Hund versucht, einen Baum zu erklimmen, weil ein Eichhörnchen daran hochgeflohen ist.)

 

Meines Erachtens ist Hass ein Weg zu sagen: „Ich fürchte mich, ich habe Angst!“.

Solche Angst gehört angeguckt!

 

Anstelle zu schimpfen, Parolen zu tröten, um mich zu schlagen, Menschen auszugrenzen, abzuwerten oder zu lästern kann ich lernen, innezuhalten und in mich reinzuspüren. Dann habe ich die Möglichkeit zu sagen: „Ich habe Angst vor…“ oder „Das ärgert mich!“ oder „Ich bin verletzt, weil…“ oder „Das kenn´ ich nicht und es ist mir unheimlich“.

Dann bin bei mir und meinen Gefühlen und kann auswählen, wie ich mich verhalte, was ich sage und denke. Dann brauche ich nicht im Außen nach Menschen, Dingen, Situationen zu suchen, die ich anklage, verteufle, beschuldige. Das ist so wichtig! Besonders jetzt, wo so viel Themen und Ereignisse in der Welt sind, die uns an unsere Wohlfühlgrenzen bringen!

 

Wünschst du dir nicht auch eine friedlichere, freundlichere Welt?

 

Wie wäre es, mit einem Experiment?

Nimm doch mal drei tagelang deine Sprache unter die Lupe!

Versuch´ wahrzunehmen, wann du abwertend über dich (z. B: „Wie sehen meine Haare schon wieder aus!“), über andere Personen (z. B. „Was redet der denn für einen Quatsch!“), über ganze Menschengruppen („Unsere Politiker sind Pfeifen!“) denkst oder sprichst. Und währenddessen genehmige dir die Freiheit, „anders als sonst“ zu denken, zu sprechen, zu reagieren.

 

„Zu hassen ist wie Gift trinken und erwarten, dass dein Gegenüber stirbt.“

So etwas Ähnliches hat Nelson Mandela einmal gesagt. (Die Übersetzung seiner Worte sind vielfältig.)

 

Ich weiß, dass mein Leben angenehmer, mein Befinden ausgeglichener ist, wenn ich aufmerksamer, wertschätzend und liebevoll mit mir umgehe. Wenn ich mich nicht zum Opfer meiner eigenen Angst oder Unversöhnlichkeit mache.

Ich weiß auch, dass ich diese Schwingung, diese Energie um mich herum ausbreiten kann. Das ist einer meiner Wege, die Welt zum Besseren zu wenden. Bei mir anzufangen und selber bewusst, aufmerksam und glücklich zu sein.

 

Na, da hab ich jetzt einen großen Bogen geschlagen, irgendwie. Danke, dass du mir bis hierher gefolgt bist.

 

Wie sind deine Erfahrungen mit Aufmerksamkeit und Wertschätzung in der Sprache, die du sprichst, schreibst, träumst? Ich freu mich auf deinen Kommentar!

 

Und jetzt frage ich mich, wieso ich im August über ein Thema schreibe, dass mir im November in die Finger geraten ist …. naja, wenn ich aus dem Fenster sehe, wundert es mich nicht wirklich: grauer Himmel, Regen…

Ich wünsche dir einen Sommer, ganz nach deinem Geschmack!

 

…von Herz zu Herz

 

 MAIKE-Blau-1

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